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Madonnas

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Ein Blick über den Tellerrand von Francesco Pedrazzini

Aufgefallen sind mir die feinen, transparenten Madonnenfiguren aus Seife in allen Farben anlässlich einer Ausstellung in der Stiftsbibliothek des Klosters St. Gallen schon vor zehn Jahren. Warum und wie lässt sich eine Kunstschaffende heutzutage auf religiöse Objekte ein? Marlies Pekarek, die Schöpferin dieser Figuren ist als Nicht-Katholikin per Zufall an das Thema «Madonna» gekommen. 

Madonnas, Installation mit Seifenskulpturen, Stiftsbibliothek St.Gallen (CH), 2009

Die Künstlerin ist 1957 in Bern geboren und protestantisch aufgewachsen. Mit 29 Jahren, während der Kunstschulzeit in Zürich, wurde Marlies Pekarek aufmerksam auf die Vielfalt der Darstellungen von Marienstatuen. Sie besuchte diverse Marien-Pilgerorte, so auch Einsiedeln mit der schwarzen Madonna. Dort sah sie die Souvenirläden mit den kitschigen Plastikmadonnen. Sie reagierte auf diese für sie absurd wirkenden Objekte und den Handel damit sehr ambivalent. Diese Spannung inspirierte sie dazu, einen solchen Laden gänzlich aus Seife selber herzustellen. Seife suggeriert Reinigung, aber auch Vergänglichkeit. 

Relikte & Reliquien, MEWO Kunsthalle Memmingen (D), 2017

Marlies Pekarek erzählt von ihrer künstlerischen Arbeit bestehend aus langen und intensiven Recherchen. Sie schildert ihr Studium von Ritualen, Kulten und Kulturen und die daraus bei ihr entstehenden Assoziationen. Sie konnte zum Beispiel die Bedeutung der jungfräulichen Empfängnis Mariens und die Paradoxie der Darstellungen und Erklärungen dazu nicht verstehen. 

Dann hatte sie eine Eingebung. Im Dogenpalast in Venedig, im Raum der Renaissance, betrachtete sie ein kleines, unscheinbares Madonnenbild mit feinst gemustertem Ärmel. Während sie die Details studierte, hörte sie eine Stimme wie aus einem Mikrofon: «Madonna ist ein Symbol für die Geburt – Bei der Betonung der Jungfräulichkeit geht es nicht um die körperliche Empfängnis als solche, sondern um die allegorische Bedeutung des Empfangens eines Menschen – Weiblich und männlich – Das männliche Prinzip symbolisiert unser eigentliches Wesen, unsere Berufung zum Leben – Das weibliche Prinzip hingegen das Nährende, das wachsen und gedeihen lässt – Madonna versinnbildlicht die stärkste Energie bedingungslos lieben zu können». 

Die Faszination an der Figur der «Himmelskönigin» blieb und sie setzte ihre Projekte mit «Madonnas, Queens & Other Heroes» fort. Dabei arbeitet sie mit verschiedensten Materialien. In ihren Zeichnungen zum Beispiel malt sie die Gestalten mit schwarzer Wasserfarbe auf zusammengenähte Bogen aus rosa Wachspapier. Die Zeichentinte perlt an der glatten Oberfläche ab, wodurch ein Muster entsteht, das wie Spitzen anmutet.

Lady of Bethlehem, nach dem Gemälde «Our Lady of Bethlehem»,
Anonyme Schule von Cusco, ca. 18. Jahrhundert,
Wasserfarbe auf Wachspapier, zusammengenäht, 2008

Während der mehrjährigen Weiterbildung und Arbeit in Australien kam Marlies Pekarek in Kontakt mit der Kultur und der Mythologie der Ureinwohner. Das hat sie fasziniert. Für die Ureinwohner ist Intuition und Intellekt gleichwertig. Sie kennen auch keine Wettbewerbskämpfe.

Die Ureinwohner haben grossen Respekt vor der Natur und kommunizieren mit ihr. Marlies Pekarek erzählt in diesem Zusammenhang von einem berührenden Erlebnis. Sie habe einmal mit einem Gecko kommuniziert, bis er auf ihre Hand kroch. Zeit und Raum wurden dabei aufgehoben. Das war für sie Meditation. 

«Kontemplation braucht Leere, um Verborgenes empfangen zu können», sagt Pekarek. Viele Grundhaltungen der Ureinwohner Australiens prägen ihre Arbeiten bis heute und gehören damit zu den Fundamenten ihrer künstlerischen Tätigkeit. 

Wer übrigens gerne Kunst in der Natur besuchen möchte, dem sei eine Pilgerreise zu «Maria Bildstein» in Benken empfohlen – Ort der Stille, wie er auch genannt wird –, oder nach Rapperswil zum «Heilig Hüsli» beim Holzsteg am See, ganz nah am Bahnhof. In Benken wurde der «Sacro Monte» zum 500-Jahr-Jubiläum mit einem Werk von Marlies Pekarek erweitert und bereichert (s. erstes Bild). Die Madonna mit Kind umrahmt von einem Ziergitter steht in einem Waldgarten und weist auf ein beliebtes Bildthema der Mariensymbolik hin, nämlich die Darstellung der Maria im Paradiesgarten.

… und mehr auf www.pekarek.ch 

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